Über Stechelberg

Wengen, Mürren, Lauterbrunnen, Gimmelwald und Stechelberg sind vereint in der politischen Gemeinde Lauterbrunnen; seit 1973 gehört auch die vorher eigenständige Gemeinde Isenfluh dazu. Alle sechs Orte führen betont ein Eigenleben mit eigener Tradition und Geschichte, lösen aber kommunale Aufgaben gemeinsam.

Stechelberg

Stechelberg (922m) liegt am Ende der Fahrstrasse durch das Lauterbrunnental und ist somit das letzte Dorf der Gemeine Lauterbrunnen. 72 Wasserfälle stürzen über die Felswände ins Tal. Der Staubbachfall – einer der höchsten frei fallenden Wasserfälle Europas – inspirierte Goethe zu seinem Gedicht „Gesang der Geister über den Wassern“. Der Ort ist Ausgangspunkt für unzählige Ausflugsziele. Im Sommer laden zahlreiche Wanderwege und Mountainbikerouten zu Erkundungstouren ein.

Im Winter liegen sowohl die Skipisten Mürren-Schilthorn sowie Kleine Scheidegg-Männlichen in unmittelbarer Nähe. Eine der längsten Ski-Abfahrten führt vom Schilthorn bis hinunter nach Lauterbrunnen – eine Abfahrt mit einer Differenz von über 2'000 Höhenmetern. Langlaufbegeisterten bietet Lauterbrunnen eine rund 16 Kilometer lange Loipe entlang der vereisten Wasserfälle.

Geschichte

Der Sage nach sandten die Bewohner der Ebene um Interlaken im Drange sich auszubreiten Kundschafter in die Täler, um zu erfahren, wo sich die Weidegründe für ihre sich mehrenden Herden fänden. Als dieselben zurückkamen und gefragt wurden, was sie gefunden hätten, antworteten sie: "Wir haben luuter (viele/klare) Brunnen und Grind (Fels) ol (oder) Wald gesehen."

Inzwischen weiss man eine ganze Menge mehr über das Lauterbrunnental. Wussten Sie, dass es in Stechelberg eine Erzverhüttungsanlage gab? Und dass das hintere Lauterbrunnental bis zur Walliser Kantonsgrenze Naturschutzgebiet ist?

Woher kommt der Name "Stechelberg"?

Auszug aus dem "Buch der Talschaft Lauterbrunnen" (Band 1, Seiten 363 und 364):

"Der verhältnismässig späten Besiedelung des hintern Grundes entsprechend tritt auch der Dorfname "am Stächelbärg" erst 1749 auf. Er ist unschwer abzuleiten vom mittelhochdeutschen Adjektiv stechel, stichel, stickel, d.h. stechend, spitzig; es ist noch rein erhalten in unserem Mundartwort "Stichella" für "Bohnenstange". Es bedeutet aber auch "jäh" und "steil". Das trifft für den Schwarzmönch voll und ganz zu, an dessen Fuss, auf seiner ganzen Ausdehnung das drei Kilometer lange Zeilendorf liegt, im Volksmund der hintere Grund, im Gegensatz zu Lauterbrunnen als vorderem Grund. Die Grenze zwischen beiden (es ist keine politische), bilden Buchenbach und Trümmelbach. 1783 wurde im "Regionenbuch des Freystaats und Republik Bern" noch nicht zwischen Lauterbrunnen und Stechelberg unterschieden.  Unter Lauterbrunnen verstand  man die ganze "Dorfgemeind im Grund genennt".

Dieses in schneereichen Wintern durch Lawinen, bei sommerlichen Gewittern durch Wasser bedrohte Dorf weist folgende Teile auf:

Die Weiler Sichellauenen, 1002m ü. M. (vom obern Teil des 'Stalden' aus betrachtet, macht das Gelände des Talgrundes hier eine sichelförmige Krümmung) und Rehtschuggen (die zwei Häuser des ersteren sind heute die hinterste, ständig bewohnte Siedelung im Tal), Rüti, Stechelberg, Matta, Strytweid, Lengwald, Stägmatta, Morgengab, Sandbach, Trümmelbach, im Pfang, Gidisdorf (herrührend vom männlichen Eigennamen Gideon = Gidi), bei der Buchen, 815m ü. M.

Geologie und Pflanzenwelt

Die Geologie des Lauterbrunnentales ist, wie so oft im Alpengebiet, komplex. Im hinteren Tal treffen Kalk- und Silikatgesteine aufeinander. Das Kristallin erstreckt sich von Stechelberg der linken Talflanke entlang nach SE. In der hier anzutreffenden Formation findet man oft Marmor und Glimmerschiefer. Im Gebiet Breitlauenen gibt es kleinere Erzvorkommen (Blei-Zink mit Baryt). Tatsächlich wurde dort in alter Zeit Bergbau betrieben. An den Talhängen erstrecken sich Schuttfelder und Moränen der Gletscher. An das Kristallin schliesst vom Sefinental bis zur Tschingelspitze ein mächtiger, beinahe homogener Kalkkomplex an.

Die geologische Vielfalt im hinteren Lauterbrunnental prägt auch die Zusammensetzung der Flora. So gibt es zum Beispiel Pflanzenarten, die speziell kalkreichen Untergrund bevorzugen, andere wiederum, die den Kalk meiden.

Als typisches Beispiel für ein "Kalkzeiger" sei hier die häufige Silberwurz (Dryas octobetala), ein Rosengewächs, erwähnt. Dies ist ein niederliegender, immergrüner Spalierstrauch mit rassigem Wuchs. Die Blätter sind regelmässig gekerbt, oft etwas umgerollt und unterseits weiss filzig behaart. Die grosse weisse meist achtblättrige Blüte, bildet nach dem verblühen zahlreiche Nüsschen, wobei die fedrigen Griffel zu Schwänzen auswachsen. Die Silberwurz ist eine der wenigen Pflanzenarten, die sowohl bei uns in den Alpen als auch im arktischen Bereich vorkommen. Ihr kam als Pionierpflanze des Kalkschuttes eine wichtige Rolle bei der Besiedlung der nach dem Rückzug der eiszeitlichen Gletscher freigewordenen Gebiete zu. Diese in jeder Jahreszeit leicht erkennbare Pflanze soll bis zu 100 Jahre alt werden. Sie gehört zu den in der Schweiz geschützten Pflanzenarten.

Alpwirtschaft und Naturschutz

Mit der Unterschutzstellung des hinteren Lauterbrunnentales ist kein zweiter Nationalpark geschaffen worden. Die dort ansässige Alpwirtschaft sollte weiter betrieben werden; Naturschutz ist hier also als Kultur- und Heimatschutz zu verstehen.

Die beiden Alpen werden vom SBN verpachtet und von den Pächtern traditionell, ohne Düngung und Einsatz von Pestiziden, bewirtschaftet Die Weideflächen werden von den etwa 70 Ziegen, 30 Gitzi, 15 Rindern und Kühen und bis zu 100 Schafen angemessen genutzt. Traditionell ist hier auch die Käseproduktion.

Ein Schutzgebiet will gepflegt und verwaltet werden. Föhnstürme und Lawienenniedergänge ziehen immer wieder den Wald in Mitleidenschaft, die Alpgebäude müssen unterhalten und die Weiden von Steinen freigehalten werden.

Pro Natura ist als Grundeigentümer verpflichtet den Unterhalt der Gebäude und der Alpen im Naturschutzgebiet zu gewährleisten. In diesem Sinne ist auch ein Ranger tätig, welcher Sommer 2012 zum ersten Mal zum Einsatz kam und von Pro Natura angestellt wurde. Der Bergrat, zusammengesetzt aus Vertretern der hiesigen Landwirtschaft, der Gemeinde und von pro Natura, ist für die Koordination der Arbeiten und den Erhalt und das Funktionieren einer blühenden Alpwirtschaft zuständig. Die Gemeinde, in Zusammenarbeit mit Stechelberg Tourismus entlastet den Grundbesitzer im Bereich des Unterhaltes der Wander- und Zügelwege und kommt grösstenteils für deren Unterhalt auf.

Tierwelt

Das häufigste Wild des hinteren Talteiles ist die Gemse. Erst seit wenigen Jahrzenten kommt auch wieder das Reh in schwachem Bestand vor. Häufig und auffällig ist das Murmeltier.

In den Zwanzigerjahren dieses Jahrhunderts setzte man im Lauterbrunnental wieder Steinwild aus. Mit etwas Glück kann man die beträchtlichen Kolonien an den Felswänden beobachten.

Im Naturschutzgebiet leben ausserdem auch Schneehase, Fuchs und Marder. Typische Alpentiere finden wir unter den Vögeln: Schneehuhn, Alpendohle, Kolkrabe und Steinschmätzer, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Auf alle Fälle lohnt es sich, den Feldstecher zur Hand zu haben, nicht zuletzt auch, um den Steinadler damit zu beobachten. Der Steinadler ist ein im Alpenraum zerstreut brütender Jahresvogel. Sein Bestand in der Schweiz wird auf 100 bis 150 Paare geschätzt. Er lebt im Hochgebirge an Hängen und Wänden, vorzugsweise über der Waldgrenze und kommt im Winter gelegentlich auch bis ins Tal.

Der Adler ist meist im Segel oder Gleitflug zu beobachten. Der Nahrungserwerb hingegen erfolgt dicht über dem Boden unter Ausnutzung von Überraschungsmöglichkeiten. Seine Nahrung besteht vor allem aus Säugetieren und Vögeln; Grundlage bilden je nach Lebensraum und Angebot hauptsächlich Murmeltiere, Hasen und Rauhfusshühner.